Yves Netzhammer / Gramazio Kohler Research 4. Dezember 2019 – 15. März 2020
Kuratorin: Alexandra Barcal
Kunst aus der Maschine? Zeichnungen auf Knopfdruck? Sind dies heute bereits Tatsachen? Die Graphische Sammlung ETH Zürich initiiert immer wieder Ausstellungsprojekte an der Schnittstelle zu ETH-Disziplinen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Kooperation zwischen dem bekannten Schweizer Künstler Yves Netzhammer (*1970) und der international renommierten Professur für Architektur und Digitale Fabrikation, Gramazio Kohler Research, entstanden. Aus der transdisziplinären Zusammenarbeit ist die Idee einer ephemeren Installation hervorgegangen, der die Linie als Basiselement zugrunde liegt. In einer Live-Performance kann im Laufe der Ausstellung beobachtet werden, wie künstlerische Inspiration und physikalische Kräfte aufeinandertreffen – und Roboter vom Werkzeug zur «(mit)kreierenden» Maschine mutieren.
Künstliche Intelligenzen drängen immer stärker in die unterschiedlichsten Bereiche unseres Lebens. Viele Fragen drehen sich dabei um die Menschlichkeit von Robotern. Was passiert, wenn man die Maschine weiterdenken und weiterführen lässt, was der Mensch initiiert hat? Auch in der Kunst ist die Thematik relevant: Wie lassen sich Roboter in die künstlerische Produktion einbeziehen? Wer oder was bestimmt die Form? Wie geht man um mit der Ungewissheit über die eigentliche Autorschaft? Seit deren Anfang ist der Einsatz von Maschinen in den künstlerischen Prozess zwar einbezogen, ihr Anteil daran jedoch immer wieder auch hinterfragt worden.
Die Werke von Yves Netzhammer (*1970), der in Zürich lebt und arbeitet, erkunden das Verhältnis zwischen diesen Bereichen: sie haben ihren Ursprung im digitalen Raum, der für den Künstler eng verwandt mit dem Ort der eigenen Imagination ist. In den Zeichnungen und Animationsfilmen des international renommierten Schweizer Künstlers werden die Grenzen, Berührungspunkte und Übergänge zwischen Subjekt und Welt, zwischen realen und virtuellen Ebenen untersucht. Seine Figuren und Szenerien, die er mit der Maus am Computer zeichnet oder in 3D-Computeranimationsprogrammen realisiert, kreisen um Mischwesen und Fusionen aus Disparatem. Sie scheinen einer surreal rätselhaften und doch intuitiv zugänglichen Matrix entsprungen zu sein, die auch eine fortlaufende Veränderung der Gestalten und Kontexte beinhaltet – durch deren «transformative Permutation» gleichzeitig auch unsere Gegenwart modellhaft reflektiert wird.
Im initiierten Austausch hat sich rasch gezeigt, dass der Faden eine zentrale Rolle im gemeinsamen Projekt spielt. Einerseits tritt das Material wiederholt in den Bildwelten des Künstlers auf, andererseits greifen die Architekturprofessoren Fabio Gramazio und Matthias Kohler bei ihrer Forschung ebenfalls auf Geflechte aus Schnur, Garn oder Faser zurück. Hier lässt sich wortwörtlich anknüpfen: das digital gezeichnete Liniengefüge erfährt eine Erweiterung in die dritte Dimension. Entstanden ist eine raumgreifende Installation mit Robotern, die üblicherweise in der Forschung der Professur zum Einsatz kommen. Petrus Aejmelaeus- Lindström, Doktorand bei Gramazio Kohler Research, hat zusammen mit Nicolas Feihl diese um neue Funktionen erweitert und für sie ein eigenes neues Werkzeug entwickelt. Während man die eine Apparatur immer wieder einen Faden nach Zeichnungen von Netzhammer legen lässt, wird die andere gleichzeitig eine durch das Gleichgewicht bestimmte Maschenstruktur aus hängenden Fäden in den Raum bauen. In einem sich wiederholenden Prozess von aufgebauten, zerfallenden und erneut erstellten Gebilden werden von der Maschine berechnete Formen an die Seite von auf menschlicher Inspiration basierender Schöpfungen gestellt – und somit auch das fragile Verhältnis zwischen Mensch und Maschine thematisiert.
Der Faden aus dem dreidimensionalen Raum wird seine Entsprechung aber auch in Form von Linien auf dem Papier finden. Parallel und ergänzend kann das Resultat der Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Druckprozess eingesehen werden: zusammen mit dem Drucker Arno Hassler (Atelier de gravure, Moutier) beschäftigt sich Yves Netzhammer zum allerersten Mal in seinem Schaffen mit dem Tiefdruck. Aus diesen Experimenten ist eine Graphikedition hervorgegangen, die zusammen mit umfangreichem Probedruckmaterial ebenfalls in der Ausstellung präsentiert wird.