Zwei kühle Zwergelefanten fressen Einfühlungsüberschuss mit Pfirsicharoma Two Cool Dwarf Elephants Eat Peach-Flowered Empathy Surplus
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Zwei kühle Zwergelefanten fressen Einfühlungsüberschuss mit Pfirsicharoma.
Einzelausstellung im Haus Konstruktiv Zürich
27. Okt. 2022 bis 15. Jan. 2023
Kuratiert von Sabine Schaschl und Evelyne Bucher
Ausstellungsfotos: Stefan Altenburger
Mitarbeit:
Seraina Borner, meinweiss: Kunstumsetzung
Stephan Schwendimann: Schreinerarbeiten
Videocompany: Videotechnik
Ein eigentümliches Stimmungsbild wird durch den Ausstellungstitel selbst vermittelt: Zwei kühle Zwergelefanten fressen Einfühlungsüberschuss mit Pfirsicharoma. Was sich zunächst merkwürdig liest, liefert doch einige Anhaltspunkte, die in verschiedenen, netzwerkartig miteinander verbundenen Exponaten abgehandelt werden. Die Rede ist von Elefanten und Pfirsicharoma, von Massstäblichkeiten, Bedeutungssystemen und dagegen gestellten Absurditäten. Und von Empathie. Netzhammers Arbeiten kreisen stets um das menschliche Handeln und Empfinden. Es sind vor allem soziopolitisch relevante Ereignisse und damit einhergehend neu auftretende Denkstrukturen, die das Feld abstecken, aus dem Netzhammer seine Werke speist – stets bedacht, eine bildhafte Umsetzung zu finden, ohne zu illustrativ oder zu erzählerisch zu sein.
Das Sinnbild des „Elefanten” entpuppt sich als ein wiederkehrendes Motiv in der Ausstellung. Die teils sanft anmutenden, teils bedrohlich wirkenden bildnerischen Berührungsmomente lösen Verwandlungsprozesse aus: Der graue Dickhäuter sackt in sich zusammen, um in fliessender Bewegung als gesichts- und geschlechtslose Menschenfigur wieder aufzustehen. Das Tier wird so zur erweiterten Oberfläche des menschlichen Körpers und somit zum stellvertretenden Empfindungsträger unserer selbst.)
Netzhammers Arbeiten befragen oft das Verhältnis von Körper zu dem ihn umgebenden Raum. Exemplarisch dafür steht eine Bodenarbeit mit Flachbildschirm: Darin dreht sich eine identitätslose Figur um die eigene Hand im Kreis. Die viel zu enge Behausung, definiert durch die Begrenzung des Displays, löst beim Betrachten der Szene Unbehagen aus. Das Gefühl von Eingeengtsein wird hier emotional erfahrbar.
Im linken Kabinett sind eine Vielzahl von kleinen weissen 3D-Drucken zu sehen, die in verschiedenen Höhen auf simplen, hautfarbenen weissen Tischplatten spielerisch arrangiert sind. Netzhammer hat sich im Vorfeld der Ausstellung intensiv mit der Handhabung dieses für ihn neuen Mediums auseinandergesetzt. Dem Künstler ist viel daran gelegen, seine zeichenhafte, am Computer entwickelte Bildsprache stets auf neue Bildträger zu überführen und somit an seiner bildhaften Sprachfähigkeit weiterzuarbeiten. Entstanden sind kleine poetisch-anmutende Miniaturen, die in enger Verwandtschaft zu den Exponaten in der Säulenhalle stehen. Was hier modelhaft und roh belassen erscheint, taucht dort in fast realer Menschengrösse, um Farbe und Medium ergänzt, wieder auf.
Im rechten Kabinett wird die 2018 realisierte Videoarbeit Biografische Versprecher neu inszeniert. Eine gelb-grün bekleidete Figur mit roter Narrenmütze – Netzhammers alter Ego – treibt auf fünf kleinen Displays seltsame Dinge. Die Farbgebung des Narrenkostüms referiert auf das in Schaffhausen entwickelte Streugewürz Aromat und auch der mehrmals auftretende Schafbock – das Wappenzeichen Schaffhausens, verweist auf die im Titel angedeutete Verwurzelung des Künstlers mit dieser Stadt. Im Unterschied zu früheren Präsentationen, werden die fünf kleinen, computeranimierten Projektionen an horizontal und vertikal ausgerichteten Plexiglaswinkeln gespiegelt, was zu zusätzlichen Verschiebungen und Verschränkungen des Wahrgenommenen führt.
Im Unterzugsaal, der in zwei Teile gegliedert ist, treten Netzhammers Motive und Figuren in neuer Formulierung fragmentarisch wieder auf. Die Ausstellung findet hier die dichteste Form an Verschränkungen. Während in der einen Raumhälfte ein kreisender, mit Sound ausgestatteter Staubsaugerdrache von der Decke hängt, befindet sich in der anderen Hälfte ein Stuhl. Beide Raumteile werden jeweils mit einer Kamera gefilmt, wobei das Aufgenommene leicht verzögert auf der gegenüberliegenden Raumseite wieder abgespielt wird. Über diese Aufnahmen lässt Netzhammer verschiedene computeranimierte Videosequenzen laufen. Die Besucher:innen, die zuvor die Rolle von stillen Betrachter:innen inne hatten, werden hier selbst zu Akteur:innen. Es kommt zu merkwürdigen, mitunter auch unbehaglichen Begegnungen und Berührungsmomenten zwischen den Museumsgästen und den digitalen Bildschöpfungen, zwischen Realem und Fiktivem. Wer sich darauf einlässt, erfährt hier eine neue Dimension von Seinszuständen.